Sportbuch 03/2016: Aus einer anderen Perspektive

Nach Victor Cruz im Januar und Uwe Seeler im Februar habe ich in diesem Monat ein Buch gelesen, dass von einem Literaten geschrieben wurde. Jemand, der sein tägliches Brot damit verdient, zu schreiben, könnte doch etwas gehaltvolles zu einem meiner Lieblingshobbys formulieren. Ich bin ehrlich: Es war eine Enttäuschung. Fußball von Jean-Philippe Toussaint hat mich nicht sofort in seinen Bann gezogen und ich musste zwischendurch recht ordentlich mit der Lektüre kämpfen. Dabei hat Toussaint das Problem selbst direkt zu Beginn vorausgeahnt: “Dieses Buch wird niemandem gefallen, (…), den Fußballliebhabern nicht, die es zu intellektuell finden werden.”

Nun ist das Werk schon recht kurz. Man könnte erwidern, dass es ja auf den Inhalt und nicht die Länge ankommt, aber das ist genau das Problem. Wenn sich Toussaint mit Fußball auf eine intellektuelle Weise auseinandersetzen würde, dann würde mich das eventuell interessieren. Derweil berichtet er von Nebensächlichkeiten, während er sich nicht mit Fußball beschäftigt hat. Autorennen üben auf mich keine Faszination aus und seine Berichte vom 24 Stunden Rennen in Le Mans, rufen bei mir eine ähnliche Reaktion hervor, wie der Bachelor, wenn Champions League läuft. Während er in Le Mans war, fand in Südafrika die Weltmeisterschaft statt, die sich in seinen Ausführungen noch nicht einmal zur Randerscheinung eignet.

Sportbuch 03/2016 – Ein Blick in eine andere Welt des Fantums. #Toussaint #Fussball #fussballbuch

Ein von Andreas Riedl (@andyriedl) gepostetes Foto am

Dabei ist mir Toussaint schon von Beginn an als Fußballfan suspekt, denn er verfolgt vor allem Weltmeisterschaften. Schon Europameisterschaften spielen nur eine untergeordnete Rolle und der Vereinsfußball ist für ihn kein Objekt der Identifikation. Nachdem ich als Person mit Vereinsfußball aufgezogen wurde, bin ich dieser Art des Wettbewerbs emotional sehr viel enger verbunden. Mit der Nationalmannschaft verbinde ich neben vielen schönen Momenten auch schwierige Begegnungen. Der Hitlergruß eines Fans vor dem Stadion in Frankfurt erst im letzten Jahr ist das nur die Spitze des Eisbergs.

Und so muss ich bei der Lektüre nach den kleinen leckeren Häppchen suchen, die sich zwischen den uninteressanten Passagen verstecken. Seine Ausführungen zur WM in Japan und Südkorea sind große Klasse, weil er authentisch vom Turnier berichtet und die Stimmung sehr schön aufgefangen hat. Man erkennt deutliche Unterschiede zu anderen Turnieren und ich habe mir an einigen Stellen gewünscht, selbst vor Ort gewesen zu sein. Auch sein Kurzbericht über seinen Besuch in Deutschland in 2006 hat bei mir positive Erinnerungen an diese Zeit geweckt. Und über ein kleines Häuschen im Süden als Rückzugsort denken wir auch gerne verträumt nach.

Ist das genug, um das Werk weiterzuempfehlen? Ich weiß es nicht. Mir hat die einmalige Lektüre gereicht. Aber während einer kürzeren Auswärtsfahrt im Zug, bevor man sich aus der ersten Klasse eine Zeitung mopst, schafft es das Buch  die Vorfreude auf die Europameisterschaft im Sommer zu befördern. Zumindest freue ich mich nun mehr auf das Turnier in Frankreich. Weil eben auch Menschen wie Jean-Philippe Toussaint ins Stadion gehen und sich von Fußball bewegen lassen.

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