Über Schlüsselspieler, denen Jogi Löw einen Schubs gegeben hat

Seit Juli 2006 ist Jogi Löw als Bundestrainer für die Nationalmannschaft verantwortlich. Seitdem hat er in vier Turnieren immer das Halbfinale oder Finale erreicht ohne jedoch einen Titel zu gewinnen. Und so kam nun vor der WM in Brasilien die Diskussion auf, ob Deutschland mit Jogi überhaupt jemals einen Titel gewinnen könnte. Wenn man sich seine Amtszeit bisher in Ruhe betrachtet, dann sollte man diese Diskussion schnell wieder beenden.

Jogi Löw schafft es immer wieder, dass die deutsche Nationalmannschaft schönen Fussball spielt und dabei sogar noch recht erfolgreich ist. Zudem hat er eine Nase dafür deutsche Talente zu entwickeln. Im Gegensatz zu anderen Nationen (z.B. England) reifen deutsche Spieler auch wegen der Nationalmannschaft zu großen Spielerpersönlichkeiten und nicht trotzdem. Es gibt wohl niemanden der behaupten würde, dass Gerrard, Rooney oder Lampard (in meinen Augen alle drei absolute Ausnahmespieler) ihre besten Spiele in der Nationalmannschaft gemacht hätten. Jogi Löw dahingegen schafft es immer wieder, dass einige der deutschen Spieler in der Nationalmannschaft ihren Leistungszenit erreichen. Die wichtigsten Spieler, bei denen Löw die Entwicklung entscheidend befördert hat (und die auch unter ihm debütiert haben), sind:

  • Manuel Neuer: Debütierte nur ein Jahr vor der WM 2010 unter Löw. Wurde nach der Verletzung von Rene Adler 2010 Stammkeeper und entwickelte sich auch Dank Löw zu einem Weltklassespieler. Die Nr. 1 in der Nationalmannschaft hat hier sicher nicht geschadet und Löw hat auch in Schwächephasen und trotz Neuers manchmal risikoreichem Spiel immer zu ihm gehalten. Auch wegen Löw Welttorhüter.
  • Jerome Boateng: Auch Jerome Boateng wird immens durch den Bundestrainer gefödert. Beim FC Bayern München war er in den letzten Jahren nicht immer eine feste Größe. Er wirkt manchmal hölzern in seinen Aktionen und lässt sich an einem schlechten Tag auch mal von seinem Gegenspieler ausspielen. Jogi Löw vertraut Boateng aber so sehr, dass er ihn sogar gestandenen Rechtsverteidigern vozieht, wenn innen gerade kein Platz ist. Über die internationale Erfahrung mittlerweile sowohl bei Bayern als auch in der Nationalmannschaft extrem wertvoll.
  • Sami Khedira: Sami Khedira debütierte noch nach Manuel Neuer in 2009 und hat mittlerweile in der Nationalmannschaft den Status eines absoluten Führungsspielers. Auch er wechselte wie Mesut Özil nach der WM 2010 zu Real Madrid und konnte sich dort nach einer gewissen Eingewöhnungsphase durchsetzen. Für Sami Khedira hat Löw 2014 eine Ausnahme gemacht und ihn trotz fehlender Spielpraxis für die WM nominiert. Löw’s Aggresive Leader und auch für Real Madrid mittlerweile ein wertvoller Rückhalt.
  • Mesut Özil: Löw hat Özil das erste Mal nominiert, als er noch für Werder Bremen spielte. Auch dank einer tollen WM 2010 bekam Özil die Möglichkeit zum Wechsel nach Madrid, wo er sich auf absolutem Weltklasseniveau etablierte. Nach einer etwas schwächeren Saison bei Arsenal baut Löw in der Nationalmannschaft weiter auf Özil und versucht ihn zu alter Stärke zurückzuführen. Die sensible Offensivkraft wird es ihm hoffentlich mit einer erneuten Leistungsexplosion danken.
  • Thomas Müller: Beim FC Bayern München spielt Müller neben Ausnahmekönnern wie Arjen Robben oder Franck Ribery. In der Nationalmannschaft gibt es zwar auch viel offensives Talent, aber dort zeigt sich immer wieder, welch ein außerordentlicher Spieler Müller ist. Jogi holte Müller früh zur Nationalmannschaft und machte ihn auch durch das Vertrauen bei der WM 2010 zu dem, der er heute ist: Deutschland’s vielseitigster und kaltschnäutzigster Offensivwaffe.

Bei anderen Spielern wie Mats Hummels, Mario Götze oder Toni Kroos ist die lenkende Hand nicht in dieser Form erkennbar und die Spieler haben bisher auf Vereinsebene mehr überzeugt als in der Nationalmannschaft. Sie haben nun bei dieser WM die Chance sich in den Vordergrund zu spielen. Bei Andre Schürrle ist es für ein abschließendes Urteil wohl noch zu früh, auch wenn der Bundestrainer ihn stark fördert und eine hohe Meinung von ihm hat. Allerdings konnte er sich in seinen Vereinen bis dato nicht wirklich durchsetzen bzw. zum Leistungsträger werden. Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Miro Klose bilden eine gesunde Achse von Führungsspielern, die Jogi Löw von Jürgen Klinsmann übernommen hat. Weitere Spieler wie Stefan Kießling, Gonzalo Castro oder unlängst Marcel Schmelzer haben darunter gelitten, dass sie sich in der Nationalmannschaft nicht durchsetzen konnten bzw. nicht in Löws System passten.

Was allerdings in diesem Zusammenhang deutlich werden sollte, ist, dass der Bundestrainer sich eine eigene Meinung hinsichtlich seiner Spieler bildet und nicht nur an manchen Stellen evtl. im Weg steht (momentane Debatte zu Großkreutz) sondern auch sehr gezielt positiv einwirkt. Die Nationalmannschaft hat unter ihm auf Spielerebene noch an Attraktivität gewonnen, denn die Jungs wissen sehr wohl, dass Löw der Karriere einen Schubs geben kann. Vor Klinsmann gab es das in der Nationalmannschaft selten und gepaart mit der taktischen Analysefähigkeit im Zweifel noch nie. Auch wenn Jogi Löw in Brasilien nicht gewinnen sollte, so hat er doch durch die Entwicklung der einzelnen Spieler eine Basis für die kommenden Jahre gelegt und kann hoffentlich später die Lorbeeren ernten. Mir ist nicht Bange hinsichtlich der Entwicklung der Nationalmannschaft und hoffe Jogi Löw treibt die Entwicklung noch weiter voran.

Daniel Baier: Der Dirigent des Augsburger Erfolgs

Fussball ist ein Mannschaftssport, aber ohne manche Einzelspieler wäre der Erfolg so mancher Teams nicht möglich. Vor dem letzten Spieltag steht der FC Augsburg auf dem achten Tabellenplatz und wird durch den letzten Spieltag auch nicht mehr von diesem Platz abfallen. Vor der Saison wurde der FC Augsburg von Fussballdeutschland als Abstiegskandidat gehandelt. Entsprechend ist diese Saison der größte sportliche Erfolg der Vereinsgeschichte. Ein wichtiger Teil (und ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten: der wichtigste) dieser tollen Mannschaft war in diesem Jahr eindeutig Daniel Baier und ich warne vor, denn das was nun folgt ist eine Lobhudelei. Baier wird heute sein 100stes Bundesligaspiel für den FC Augsburg absolvieren. Dabei gilt es zu beachten, dass der FC Augsburg nach dieser Saison nur 102 Bundesliga als Verein im Gesamten vorweisen kann. Baier hat daher in den letzten 3 Jahren nur 2 Spiele verpasst und diese auch nur auf Grund von Gelbsperren. In diesem Jahr fehlt im bisher keine einzige Minute. Und dabei hat er durchgehend überzeugende Leistungen abgeliefert. In der Kicker-Tabelle der Mittelfeldspieler liegt er vor dem letzten Spieltag auf Platz 5 hinter Arjen Robben, Marco Reus, Franck Ribery und Toni Kroos. Jogi Löw hat ihn wahrscheinlich vor allem deswegen nicht für Brasilien berücksichtigt, weil er im Mai 30 Jahre alt wird und der Bundestrainer lieber eine Mannschaft für die Zukunft aufbaut, als jetzt zu gewinnen. Sogar in der bundesweiten Fachpresse hat er einige Fürsprecher gefunden. 11Freunde schrieb im Liveticker zur Nominierung der Nationalmannschaft für Brasilien:

12:29 Uhr

Wir legen uns fest: Wenn Daniel Baier nicht für die WM nominiert wird, haben wir den Glauben an den Fußballgott verloren. #bereitfürbaier

Der Fußballgott hatte wohl kurz Pause. An dieser Stelle, wollen wir kurz innehalten, um zu betrachten, was Baiers Spiel in dieser Saison ausgemacht hat. Er ist der Lenker hinter dem Angriff der Augsburger und spielt entweder alleine oder mit einem Partner auf der sog. Sechser-Position. Im ersten Schritt ist er in der Rückwärtsbewegung unnachgiebig und sehr zweikampfstark (58% gewonnene Zweikämpfe). Mit dem Ball am Fuss ist er unfassbar sicher und überzeugt mit einer Passquote von 79%. Er setzt dann die Offensivspieler ein, ob dies nun Werner oder Hahn auf den Außenbahnen oder Altintop bzw. die Stürmer im Zentrum sind. In dieser Saison beispielhaft war wohl der Angriff zum Tor gegen die Bayern, als er dem unerfahrenen Mitchell Weiser den Ball abnimmt und dann selbst die Vorlage für Mölders in die Schnittstelle der Viererkette spielt. Und wenn er so spielt wie dieses Jahr, dann kann man sehr gut darüber hinwegsehen, dass Baier selbst vor dem Tor durch eigene Abschlüsse ungefährlich ist, denn seine Pässe leiteten viele gefährliche Angriffe ein.

In seinem Spiel kommt er dabei fast ohne Fouls aus. Vor dem letzten Spieltag hatte er gerade 31 Fouls gespielt, was im Schnitt nicht mal ein Foul pro Spiel ist. Zudem droht im seit dem 28. Spieltag die fünfte gelbe Karte, die er allerdings nie gesehen hat. Baier weiß daher sehr genau, mit welchem Körpereinsatz er die einzelnen Situationen anzugehen hat und spielt entsprechend intelligent.

Insgesamt ist er als Persönlichkeit sicher auch ein Grund dafür, dass in Augsburg das Mannschaftsklima so gut ist. Als Leistungsträger geht er vor allem auf dem Platz immer voran, fällt aber abseits des Rasens nie durch laute Worte oder vorlaute Statements auf. Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen weißt er darauf hin, dass er selbst nicht den Vergleich mit Spielern scheut, die nicht beim FC Bayern München spielen. Seine Statistiken und sein Einfluß auf das Spiel in Augsburg und die Ergebnisse in dieser Saison bestätigen das eindrucksvoll. Man würde sich wünschen, dass andere Personen mehr für ihn Werbung gemacht hätten. In der Ukraine war er 2012 als Fan in der Kurve und hat mit Bastian Schweinsteiger das Trikot getauscht und es wäre doch wunderbar, wenn Deutschland auch von einem solchen Sympathieträger auf dem Platz vertreten würde. Daniel Baier hätte es sich durch seine Leistungen wohl verdient. Aber für Daniel Baier geht auch so die Welt nicht unter. Das zweite Kind ist im Anmarsch und der Geburtstag steht im Urlaub vor der Tür. Dazu wird er seinen Bruder, der für die Darmstädter Lilien spielt, in der Zweitligarelegation anfeuern. In diesen Tagen hat Daniel Baier der Augsburger Allgemeinen eines seiner seltenen Interviews gegeben und darin angedeutet, dass er sich vorstellen kann, seine Karriere in Augsburg zu beenden. Mich würde das freuen. Und danach lieber Daniel gibst Du bitte in Augsburg an Jugendspieler genau das weiter, was dich diese Saison so stark gemacht hat. Danke für die überragende Saison und auf eine lange gemeinsame Zukunft!

 

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